Praxis gründen oder übernehmen?—Entscheidungshilfe für Ärztinnen/Ärzte und Zahnärztinnen/Zahnärzte
Neueinrichtung vs. Praxisübernahme: rechtssichere Orientierung, betriebswirtschaftliche Abwägung und praktische Schritte – aus Sicht von arztpraxisrecht.de
Die Gesamtkosten einer Neugründung und einer Übernahme liegen erfahrungsgemäß auf ähnlichem Niveau. Während die Neugründung maximale Gestaltungsfreiheit bietet, ermöglicht die Übernahme eines etablierten Standorts einen schnelleren, planbareren Start (Team, Patientenstamm, Prozesse). Ausschlaggebend sind daher vor allem strategische, rechtliche und persönliche Faktoren—nicht primär die Investitionssumme.
Gründung vs. Übernahme: generelle Vor- und Nachteile
Finanzen & Investitionen:
- Ähnliche Größenordnung: Umbau/Modernisierung bei Übernahme ≈ Neuanschaffungen/Innenausbau bei Gründung.
- Cashflow-Planbarkeit: Bei der Übernahme bestehen Umsätze, die Planungssicherheit schaffen; die Gründung erfordert Anlaufzeit und Marketingbudget.
Startgeschwindigkeit & Risiko:
- Übernahme: Sofort arbeitsfähig (bestehende Räume, Geräte, IT, Prozesse), eingespieltes Team, übernehmbarer Patient:innenstamm, häufig schnellere Bank-/Finanzierungsfreigabe.
- Gründung: Standortsuche, Personalaufbau, Markenaufbau, Patientengewinnung – erfordert Marktanalyse, Zeit und konsequentes Go-to-Market.
Businessplan & Finanzierung:
- In beiden Fällen Pflicht: Ein belastbarer Businessplan ist Grundvoraussetzung für Finanzierung, Zulassung/Bedarfsplanung (KV/KZV), Praxisbewertung, Miet- oder Kaufverträge sowie Investitionsentscheidungen.
Vorteile und Nachteile der Praxisneugründung
Vorteile:
- Gestaltungsfreiheit: Räumliches Konzept, technische Ausstattung, IT/DSGVO-Prozesse, QM und Corporate Identity nach Ihren Vorstellungen.
- Moderne Positionierung: Digitale Patientenreise, Spezialisierungsprofil, Arbeitgebermarke und Vergütungssysteme von Beginn an skalierbar.
Herausforderungen:
- Zulassung & Bedarfsplanung: Regionale Beschränkungen durch KV/KZV bzw. Zulassungsausschüsse können die Standortwahl begrenzen.
- Recruiting & Aufbauarbeit: Personalgewinnung, Teamentwicklung und Prozessdesign benötigen Zeit und Budget.
- Anlaufschwelle im Marketing: Sichtbarkeit, Zuweiser-Netzwerk und Online-Reputation müssen aufgebaut werden; die betriebswirtschaftliche Planung ist in der Frühphase volatiler.
Vorteile und Nachteile der Praxisübernahme
Vorteile:
- Planbarer Einstieg: Bestehende Umsätze, belastbare Kennzahlen, übernehmbare Verträge (Miete, Service, Leasing), eingespieltes Team.
- Effizienzgewinn: Eingerichtete Räume, vorhandene Geräte und eingeführte Praxissoftware reduzieren die Hochlaufzeit.
- Marketingvorsprung: Stamm-Patienten und etablierte Marke senken die Akquisitionskosten.
Herausforderungen:
- Übergabe & Passung: Sorgfältige Vertrags- und Übergabegestaltung ist entscheidend (Haftungsfragen, Gewährleistung, Wettbewerbsverbote, Nachhaftung, Datenschutz/Patientendatenübertragung).
- Kulturelle/medizinische Kontinuität: Fachliche Ausrichtung und Behandlungsphilosophie sollten mit der Patientenerwartung harmonieren, um Abwanderungen zu vermeiden.
- Altlasten prüfen: Mietkonditionen, Gerätezustand, Wartungsverträge, Personalstruktur, Software-Lizenzen, QM-Status und offene Behörden-/KV-/KZV-Themen.
Entscheidungsmatrix: Welche Option passt zu Ihnen?
Übernahme empfiehlt sich, wenn Sie:
- kurzfristig planbare Umsätze und geringe Anlaufzeiten bevorzugen,
- ein eingespieltes Team und standardisierte Prozesse nutzen möchten,
- bereit sind, Strukturen zu übernehmen und behutsam weiterzuentwickeln.
Neugründung empfiehlt sich, wenn Sie:
- ein klares, eigenes Behandlungskonzept umsetzen wollen (z. B. Spezialisierungen),
- maximale Gestaltungsfreiheit bei Räumen, IT, QM und Arbeitgebermarke wünschen,
- einen längeren Hochlauf strategisch und finanziell einkalkulieren.
Juristische Kernfragen – worauf Sie zwingend achten sollten
- Zulassung/Bedarfsplanung (KV/KZV): Status, Sperrung/Entsperrung, Sonderzulassungen, Nachbesetzung, Sitzverlegungen.
- Praxisvertragliche Due Diligence (Übernahme): Praxisbewertung, Asset/Share Deal, Haftung, Gewährleistung, Kaufpreis- und Earn-Out-Mechaniken, Wettbewerbsverbote, Übergabepflichten, Datenschutzkonzept für Patientendaten.
- Miet- und Immobilienrecht: Laufzeiten, Indexierung, Instandhaltung/Schönheitsreparaturen, Ausbauzustand, Nachmiet-/Untervermietungsrechte, Umbauzustimmungen, ärztliche Nutzung.
- Arbeitsrecht & Vergütungsmodelle: Übergang von Arbeitsverhältnissen (Betriebsübergang), variable Vergütung, Boni, Wettbewerbsverbote, Fortbildungs- und Dienstpläne, Dienstwagen/Benefit-Regelungen.
- Medizinrecht & Berufsrecht: Kooperationsformen (BAG, MVZ, Anstellung), Delegation/Substitution, Aufklärungs-/Dokumentationspflichten, Werbe- und HWG-Konformität.
- IT/DSGVO & Abrechnung: TOMs, AV-Verträge, Patienteneinwilligungen, Archivierung; EBM/GOÄ bzw. BEMA/GOZ-Prozesse, Richtlinien-Compliance.
- Compliance & QM: Hygienerecht, Medizinprodukterecht, RKI-Vorgaben, MPBetreibV, Notfallkonzepte, Auditfähigkeit.
Praxisnah: So gehen Sie strukturiert vor
Für die Übernahme
- Praxisbewertung & Kennzahlenanalyse (Umsatzmix, Scheinzahlen, Recall-Quoten, Ausfallraten, Personalkostenquote, Mietquote).
- Rechtliche Due Diligence (Verträge, Genehmigungen, Risiken; Kaufvertragsentwurf mit klaren Gewährleistungen und Haftungsgrenzen).
- Übergabekonzept (Kommunikation an Patienten/Team, Übergangsassistenz des Abgebers, Know-how-Transfer).
- Quick-Wins-Plan (IT, Prozesse, Patientenkommunikation, Google-Profile/Rezensionen, Zuweiserpflege).
Für die Neugründung
- Standort- & Bedarfsanalyse (KV/KZV-Rahmen), Finanzierungsstruktur, Raum-/Ausstattungskonzept.
- Rechts- und Gesellschaftsform (Einzelpraxis, BAG, MVZ-Strukturen), Verträge (Miete/Leasing/Service), DSGVO/IT-Set-up.
- Personalstrategie (Recruiting, Employer Branding, Einarbeitung, Vergütungssysteme).
- Markteintrittsplan (CI, Website, Local SEO, Terminmanagement, Funnel, Empfehlungsnetzwerk, soziale Medien).
Häufige Fehler – und wie wir sie vermeiden
- Unklare Übergaberegeln bei der Übernahme (führt zu Konflikten und Haftungsfragen).
- Nicht geprüfte Mietklauseln, die die Kostenstruktur langfristig belasten.
- Unterschätzter Datenschutz/IT-Aufwand bei Datenmigration und Neu-Set-up.
- Fehlende Personalstrategie (Recruiting, Bindung, Vertretungsmodelle).
- Werberechtliche Fallstricke (HWG, Berufsordnung) im Marketing.
Wie arztpraxisrecht.de Sie unterstützt
- Rechtssichere Strukturierung Ihrer Gründung oder Übernahme inkl. Vertragsgestaltung und Verhandlung.
- Due-Diligence & Risiko-Screening (rechtlich, vertraglich, datenschutzrechtlich).
- Zulassungs- & Behördenmanagement (KV/KZV, Zulassungsausschuss, Genehmigungen).
- Arbeitsrecht & Vergütungssysteme inklusive praxistauglicher Muster.
- Compliance-/QM-Check (Hygiene, Medizinprodukte, Dokumentation, Notfallmanagement).
- Digitale Grundordnung: DSGVO, AV-Verträge, Verarbeitungsverzeichnisse, Patienteninformationen.
FAQ
Ist eine Praxisübernahme günstiger als eine Neugründung?
Nicht zwingend. Umbau/Modernisierung und Neuanschaffungen nivellieren die Investitionshöhen. Ausschlaggebend sind Planbarkeit, Tempo und strategische Passung.
Wie lange dauert der Hochlauf bei einer Neugründung?
Je nach Standort, Teamaufbau und Marketing zwischen wenigen bis mehreren Monaten; belastbare Planung steigt mit sauberer Vorarbeit (Standortanalyse, Funnel, Zuweisern)
Worauf kommt es rechtlich bei der Übernahme an?
Auf klare Kauf- und Übergaberegeln, geprüfte Miet-/Serviceverträge, Datenschutz bei Datenübertragung, Haftungs- und Gewährleistungsgrenzen sowie auf Wettbewerbsverbote.
Was ist bei KV/KZV zu beachten?
Regionale Bedarfsplanung und Zulassungsverfahren (Nachbesetzung/Sitzverlegung). Frühzeitig klären, ob und wie Ihr Vorhaben abbildbar ist.










