Praxisverkauf: Erfolgsabhängige Kaufpreisbestandteile richtig gestalten
Erfolgsabhängige Kaufpreise rechtssicher strukturieren: Kennzahlen, Begünstigung, Streitprävention
Der Verkauf einer (Zahn-)Arztpraxis oder von Anteilen an BAG/MVZ ist mehr als eine Preisfrage. Spätestens bei leistungsabhängigen Kaufpreisbestandteilen („Earn-Out“) entscheidet die richtige Vertrags- und Steuerstruktur darüber, was am Ende tatsächlich beim Verkäufer ankommt – und wie sicher.
Was wir verhandeln – und warum das zählt
Zu den typischen Verhandlungsthemen zählen neben der Kaufpreishöhe insbesondere die Haftungsallokation (inkl. Erwartungs-/Goodwill-Risiken), Rechnungsabgrenzung sowie die Übernahme laufender Dauerschuldverhältnisse – allen voran des Mietvertrags. Diese Punkte wirken unmittelbar auf Deal-Sicherheit, Cashflow und spätere Streitpotenziale.
Steuerliche Auswirkungen: Die entscheidende Perspektive des Verkäufers
Für Ärztinnen und Ärzte ist regelmäßig nicht der „Nominalpreis“ ausschlaggebend, sondern der Nettoerlös nach Steuern. Fehler in der steuerlichen Strukturierung können vermeintliche Mehrerlöse vollständig aufzehren. Daher gehört die steuerliche Dimension frühzeitig auf den Tisch – idealerweise bereits in der Term-Sheet-Phase.
Steuervorteile ab 55 Jahren – einmalig, aber mächtig
Veräußerungsgewinne aus der Veräußerung eines (Teil-)Betriebs oder einer Mitunternehmerschaft können als außerordentliche Einkünfte begünstigt besteuert werden. Ab Vollendung des 55. Lebensjahres (bzw. bei dauernder Berufsunfähigkeit) steht – einmal im Leben – eine tarifliche Vergünstigung bis zu einer Kappungsgrenze von 5 Mio. € offen. Umgangssprachlich vom „halben Steuersatz“ die Rede zu sein, mag ungenau sein, illustriert aber die Größenordnung des Vorteils – und das Risiko, wenn die Begünstigung geplant, aber später nicht anerkannt wird.
Praxisregel: Die einmalige Begünstigung muss strategisch eingesetzt werden. Wer sie unbedacht „verbraucht“, verschenkt erhebliche Beträge.
Unverzichtbar: Doppelspur aus Anwalts- und Steuerberatung
Wir raten dringend zur integrierten Beratung: Medizinrechtliche Vertragsgestaltung und steuerliche Struktur greifen ineinander. Ein steuerlich versierter Berater mit Branchenkenntnis im Gesundheitswesen ist neben der anwaltlichen Begleitung faktisch unverzichtbar.
Earn-Out-Klauseln: Wann, wie, wozu?
Bei Earn-Out-Strukturen fließt ein Teil des Kaufpreises beim Vollzug; weitere Tranchen hängen von der
Performance der Praxis nach Übergabe ab (z. B. Umsatz/EBIT, Scheinzahlen, Patientenstamm) und werden über einen definierten Zeitraum (etwa 3 Jahre) bemessen.
Typisch für
größere Strukturen und
investorengeführte Transaktionen:
- Mechanik nach unten: Zielverfehlung → Reduktion/Entfall weiterer Tranchen.
- Mechanik nach oben: Outperformance → zusätzliche Beteiligung („Upside“).
Vorteil: Risikoausgleich zwischen Käufer und Verkäufer.
Nachteil: Steuerlicher und rechtlicher
Komplexitätszuwachs; potenziell
Streit über Messgrößen, Berechnung, Manipulationsschutz (z. B. Kostenschiebungen, Zuweiserverhalten, Ärztewechsel).
Steuerliche Behandlung von Earn-Outs: BFH zieht eine klare Linie
Mit Urteil vom 09.11.2023 (Az. IV R 9/21) hat der BFH zur zeitlichen Zuordnung und Begünstigung erfolgsabhängiger Kaufpreisbestandteile Stellung genommen. Ausgangspunkt war u. a. die Vorinstanz (FG Rheinland-Pfalz), die bereits 2021 entschieden hatte, dass die Tarifbegünstigung („halber Steuersatz“) nur auf den initialen Veräußerungsgewinn im Veräußerungsjahr anwendbar sei – nicht auf später zufließende Earn-Out-Zahlungen.
Der BFH bestätigt im Kern:
- Grundsatz: Der Veräußerungsgewinn entsteht im Veräußerungszeitpunkt, unabhängig von Fälligkeit/Raten/Stundung.
- Spezifik Earn-Out: Bei gewinn-/umsatzabhängigen Komponenten steht im Veräußerungszeitpunkt weder fest, ob noch in welcher Höhe spätere Ansprüche entstehen.
- Konsequenz: Earn-Out-Zahlungen sind erst im Zuflussjahr zu versteuern – ohne Anwendung der einmaligen Tarifbegünstigung, sofern diese bereits im Veräußerungsjahr genutzt wurde.
Damit wird die vielfach gewünschte „Einheitsbesteuerung“ des gesamten Kaufpreises im Veräußerungsjahr (unter Ausnutzung der Begünstigung) durchbrochen: Später zufließende erfolgsabhängige Beträge unterliegen dem regulären Tarif und können die Gesamtsteuerlast erhöhen.
Was heißt das für Ärztinnen und Ärzte, die verkaufen wollen?
Earn-Out-Klauseln gefährden nicht per se die Attraktivität eines Deals. Sie verlangen aber präzise Gestaltung, damit steuerliche Nachteile minimiert und Käuferinteressen an einer Performance-Absicherung ausbalanciert werden.
Gestaltungshebel (Auswahl)
- Klarer KPI-Katalog & Manipulationsschutz
Definition von Bezugsgrößen (Umsatz/EBIT/Case-Mix), Accounting-Standards, „No-Tampering“-Klauseln, Informations- und Prüfungsrechte (Wirtschaftsprüfervorbehalt). - Deal-Mechanik variieren
Teilweiser Ersatz klassischer Earn-Outs durch fixe, aufschiebend bedingte Kaufpreisbestandteile oder Retention/Escrow mit klaren, nicht ausschließlich erfolgsabhängigen Bedingungen. - Zeitliche und steuerliche Koordination
Frühzeitige Abstimmung, ob/wie die Tarifbegünstigung optimal genutzt wird (z. B. Strukturierung der Einmalzahlung; Vermeidung des „Verpuffens“ der Begünstigung). - Arbeits-/Kooperationsphase sauber regeln
Wenn Verkäufer übergangsweise mitarbeitet: Vergütungslogik, Weisungsgrenzen, Wettbewerbsverbot, Patientenkommunikation – alles mit Blick auf Earn-Out-KPI konsistent gestalten. - Miet- und IT/DSGVO-Übergabe
Zustimmung Vermieter, Betreiberpflichten (Medizinprodukte), AV-Verträge/TOMs – Earn-Out-Einfluss auf Kostenbasis berücksichtigen. - Streitvermeidung ex ante
Schiedsgutachterklausel/Expertenklausel für KPI-Streitigkeiten; klare Fristen, Verjährung, Reporting-Rhythmus.
Handlungsempfehlung (Kurzfazit)
- Früh strukturieren: Steuerliche Begünstigung ist einmalig – setzen Sie sie strategisch ein.
- Earn-Outs absichern: KPI, Berechnung, Prüfungsrechte und Anti-Manipulationsschutz glasklar regeln.
- Varianten prüfen: Wo sinnvoll, Earn-Out-Risiko durch bedingte Fixbestandteile/Retention reduzieren.
- Team aufstellen: Medizinrecht + Steuerberatung zusammenbringen – idealerweise ab LOI/Term Sheet.
Warum mit arztpraxisrecht.de?
Die Begleitung von Praxisveräußerungen – einschließlich Earn-Out-Strukturen – zählt zu unseren Kernleistungen. Wir verbinden medizinrechtliche Vertragskompetenz mit steuerlicher Strukturierung in enger Abstimmung Ihrer steuerlichen Beratung.
Hinweis: Diese Darstellung ersetzt keine individuelle steuerliche oder rechtliche Beratung. Maßgeblich sind die vertragliche Ausgestaltung, Ihre persönliche Situation und die jeweils aktuelle Rechtsprechung/Verwaltungspraxis.










