Rechtsform für Arzt- und Zahnarztpraxen: Einzelpraxis, Berufsausübungsgemeinschaft oder MVZ-GmbH?
Strategische Bedeutung der Rechtsformwahl
Wer eine Arzt- oder Zahnarztpraxis gründet oder erweitert, trifft mit der Wahl der Rechtsform eine Grundsatzentscheidung. Sie bestimmt Haftungsrisiken, steuerliche Gestaltung, Finanzierung, Personalmodelle und die künftige Skalierbarkeit. In der Praxis stehen vor allem drei Modelle im Fokus: die Einzelpraxis, die Gemeinschaftspraxis bzw. Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) – häufig als GbR oder Partnerschaftsgesellschaft/PartGmbB – sowie das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) in der Rechtsform der GmbH.
Modelle im Überblick: Einzelpraxis, BAG/PartGmbB, MVZ-GmbH
Die Einzelpraxis bietet maximale Autonomie und schlanke Strukturen, geht aber mit unbeschränkter persönlicher Haftung einher. In der BAG bündeln mehrere Behandler ihre Leistungserbringung; Organisation und Arbeitsteilung werden professioneller, zugleich steigen die Abstimmungsbedarfe. Haftungsrechtlich ist zu differenzieren: Während die klassische GbR gesamtschuldnerisch und unbeschränkt haftet, begrenzt die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB) die Haftung für Berufsfehler auf das Gesellschaftsvermögen, vorausgesetzt, die berufsrechtlich geforderte Haftpflichtdeckung ist gewährleistet. Das MVZ in der Form der GmbH trennt das Gesellschaftsvermögen grundsätzlich von der Privat- und Berufssphäre der handelnden Personen. Die persönliche (zahn)ärztliche Verantwortung bleibt natürlich bestehen, die zivilrechtliche Unternehmenshaftung wird jedoch in der Kapitalgesellschaft aufgefangen. Gerade für wachsende Praxen mit mehreren Standorten und strukturiertem Personalaufbau ist dies ein starkes Argument.
Steuerliche Gestaltung und Liquiditätsplanung
Auch steuerlich unterscheiden sich die Modelle spürbar. In der Einzelpraxis und bei Personengesellschaften werden die Gewinne unmittelbar auf Ebene der Inhaber versteuert. Die GmbH eröffnet hingegen zusätzliche Stellschrauben: Geschäftsführergehälter sind Betriebsausgaben der Gesellschaft, Thesaurierung kann Liquidität für Investitionen im Unternehmen halten, Ausschüttungen lassen sich planen. Ob diese Mechanik im Einzelfall vorteilhaft ist, hängt von Einkommen, Investitionszyklen, Pensions- und Exit-Planung ab und gehört zwingend in eine abgestimmte Rechts- und Steuerstrategie.
Personalstrategie und Anstellungsmodelle
Für die Personalpolitik gilt: Anstellung ist in allen Modellen grundsätzlich möglich, doch die MVZ-GmbH ist auf professionelle HR-Setups, Team- und Teilzeitlösungen und einen planbaren angestellten Apparat besonders gut zugeschnitten. Sie bietet damit attraktive Rahmenbedingungen für die jüngere Ärztegeneration, die Wert auf Sicherheit, Teilzeitmodelle und Work-Life-Balance legt. Wer Skalierung, Spezialisierungsteams oder Filialisierung anstrebt, profitiert zusätzlich von einheitlichen Governance- und Controlling-Strukturen.
Zulässigkeit nach Versorgungsbereich: GKV vs. privat
Rechtlich ist zwischen GKV- und privatärztlichem Bereich zu unterscheiden. Im Bereich der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung ist die GmbH über das MVZ zulässig: § 95 Abs. 1a Satz 3 SGB V nennt ausdrücklich die Personengesellschaft, die eingetragene Genossenschaft, die GmbH sowie öffentlich-rechtliche Rechtsformen. Gemeinschaftspraxen/BAG sind dort keine GmbH, sondern Personengesellschaften (regelmäßig GbR oder Partnerschaft/PartGmbB). Im privatzahnärztlichen Bereich ist die Einzelpraxis oder BAG bundesweit möglich; die Praxisführung in der Rechtsform einer GmbH hängt jedoch vom jeweiligen Landes- und Kammerrecht ab. In einzelnen Ländern ist die Führung einer ärztlichen Praxis als privatrechtliche juristische Person nicht statthaft. Hier kann die PartGmbB eine berufsrechtskonforme Alternative mit haftungsrechtlichen Vorteilen sein. Vor jeder Strukturentscheidung sind daher Zulassungsrecht, Berufsrecht und die landesrechtlichen Besonderheiten im Detail zu prüfen.
Vorgehensmodell für die Rechtsformwahl
Die methodische Herangehensweise an die Rechtsformwahl folgt der Strategie: Zunächst ist der Wachstumsplan zu klären – Einzelstandort oder Schritt in Richtung Filialisierung und MVZ-Struktur. Danach sind Risikoprofil und Investitionslast zu bewerten, insbesondere Miet- und Geräteverträge sowie Finanzierungsbedarf. Drittes Feld ist die Teamstrategie: Anteil angestellter Ärztinnen und Ärzte, gewünschte Teilzeitquoten und Recruiting-Vorteile. Viertens sind steuerliche Leitplanken – Liquidität, Altersvorsorgegestaltung, Thesaurierung und Ausschüttung – sauber zu modellieren. Fünftens müssen Zulassungs-, Kammer- und Landesrecht die gewählte Architektur tragen. Schließlich lohnt der Blick auf die Exit-Perspektive: Beteiligungen für Juniorpartner, spätere Praxisabgabe oder Verkauf stellen jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Rechtsform.
Rechtsentwicklung und Compliance im Blick
Hinzu kommt die Dynamik des Rechtsrahmens. Seit dem 01.01.2024 gilt die Reform des Personengesellschaftsrechts (MoPeG); parallel entwickeln sich Berufs-, Zulassungs- und Steuerrecht – einschließlich der Rechtsprechung, etwa des Bundesfinanzhofs – fortlaufend weiter. Diese Gemengelage macht eine verzahnte rechtliche und steuerliche Beratung zur Voraussetzung belastbarer Entscheidungen.
Fazit für Arzt- und Zahnarztpraxen
Das Fazit lautet: Im GKV-Bereich ist die MVZ-GmbH ein leistungsfähiges Fundament für Wachstum, Anstellung und standortübergreifende Versorgung. Im privatzahnärztlichen Bereich bestimmt das Landesrecht die Grenzen der GmbH-Praxis; häufig bietet sich die PartGmbB als passfähige Lösung mit berufsbezogener Haftungsbegrenzung an. Einzelpraxis und BAG bleiben starke, schlanke Modelle, wenn unternehmerische Freiheit, Überschaubarkeit oder partnerschaftliche Zusammenarbeit im Vordergrund stehen. Wer die eigene Arzt- oder Zahnarztpraxis zukunftsfest aufstellen möchte, sollte deshalb Strategie, Haftung, Steuern, Personal und Zulassungsrecht aus einem Guss denken – und die konkrete Struktur entlang dieser Ziele gestalten.
Nächste Schritte: Individuelle Strukturberatung für Praxisgründung und -ausbau
Gern entwickeln wir mit Ihnen die passende Zielarchitektur für Ihre Gründung, Umstrukturierung oder Expansion – von der rechtssicheren Wahl der Rechtsform über Zulassung, Gesellschafts-, Geschäftsführungs-, Anstellungs- und Mietverträge bis hin zu Finanzierung, Compliance und HR-Setup. Dieser Beitrag ersetzt keine individuelle Beratung; maßgeblich sind Ihr Versorgungskonzept, die konkrete Zulassungssituation sowie das einschlägige Landes- und Kammerrecht.
Hinweis: Dieser Beitrag dient ausschließlich der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechts- oder Steuerberatung. Trotz sorgfältiger Erstellung übernehmen wir keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte. Eine Haftung für Schäden, die aus der Nutzung der Informationen entstehen, ist ausgeschlossen, sofern nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Für eine verbindliche Einschätzung Ihres Einzelfalls wenden Sie sich bitte an eine qualifizierte Rechts- und Steuerberatung.










